Didaktik: ein Verwirrbegriff
von Burkhard Treude
Ein Wegweiser durchs
Labyrinth pädagogischer Fachsprache
Wenn man in der Pädagogik
wissen will, was was bedeutet, dann sieht man am besten im „Dolch“
(Grundbegriffe der pädagogischen Fachsprache) nach. Dort findet der geneigte
Leser unter dem Stichwort „Didaktik“, dass hiermit „die Wissenschaft (und Lehre)
vom Lernen und Lehren überhaupt ... auf allen Stufen ohne Besonderung auf den
Lehrinhalt“ gemeint sei. Neuerdings setze sich jedoch durch, dass sich Didaktik
„mit dem 'Was' und die ihr zwar untergeordnete, aber immer in Wechselwirkung
stehende Methodik nur mit dem 'Wie' des Unterrichts zu befassen habe. Dolch
sieht als besonderes Thema einer solchen „Didaktik im engeren Sinne“ die
Vermittlung und Erörterung der Bildungsinhalte.
Tief in die Vergangenheit
zurück greift Herwig Blankertz (Theorie und Modelle der Didaktik), der das
griechische Stammwort „didaskein“ mit „lehren, unterrichten, klar
auseinandersetzen, beweisen“ übersetzt, aber darauf hinweist, dass das
Didaktische primär eine Gattung des griechischen Epos gewesen sei, welche Lehren
über den Ackerbau, das Land und das häusliche Leben zum Inhalt gehabt habe. So
erklärt auch der französische Larousse Didactique als Literaturgattung.
Im Oxford Dictionary wird
didactic als meant to instruct definiert, ein Sprachgebrauch, der von deutschen
Teilnehmern an angelsächsischen Weiterbildungs-Veranstaltungen oft
missverstanden wird. Wenn ein amerikanischer Trainer einen Kurs als didactic
ankündigt, so heißt das - für ihn - klipp und klar, dass er allein Chef im Ring
ist und die Teilnehmer sich aufs Zuhören und Fragen zu beschränken haben. Ganz
anders bei einem Workshop, der hauptsächlich aus der Aktivität der Teilnehmer
besteht.
Methodik und Didaktik: was
ist der Unterschied?
Wenn wir im Deutschen etwas
als didaktisch bezeichnen, so hat das gleich eine viel tiefere Bedeutung.
Zumindest sollte es das nach Meinung der Autoren haben, die sich in unzähligen
Veröffentlichungen darüber ausgelassen haben. Der angehende Pädagoge wird vor
allem mit zwei Aufsatzsammlungen konfrontiert, nämlich Heimann/Otto/Schulz
(Unterricht, Analyse, Planung) und dem Bändchen „Didaktische Analyse“, das einen
bedeutsamen Beitrag von Wolfgang Klafki enthält.
Mit seinem Aufsatz über die
„Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung“ hat er bereits Ende
der fünfziger Jahre ein neues Verständnis von Didaktik entwickelt und durch
seine Betonung des exemplarischen Lernens die Weichen für eine grundlegende
Veränderung der Unterrichts-Inhalte gestellt. Für Klafki bedeutet Didaktik
eindeutig „alle auf die Inhaltlichkeit, auf das Was des Unterrichts und der
Bildung gerichteten gedanklichen Bemühungen“. Er grenzt die Didaktik von der
Methodik ab, die er als auf das Wie ausgerichtet definiert.
Wolfgang Schulz versteht in
seinem Beitrag für „Unterricht, Analyse, Planung“ Didaktik als Theorie des
Unterrichts. Für ihn bildet Didaktik einen Oberbegriff, unterhalb dessen man
sich im Rahmen einer Strukturanalyse des Unterrichts die pädagogischen
Absichten, die Themen des Unterrichts (Inhalte, Gegenstände), die Methoden
(Verfahren) und die Medien, mit deren Hilfe die Ziele des Unterrichts erreicht
werden sollen, vorstellen muss. Die Definition der Absichten, die Auswahl der
Themen, die Entscheidung für bestimmte Methoden und Medien ist abhängig von den
Menschen, die am Unterricht beteiligt sind und von den gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen, unter denen sie existieren.
Diese Strukturmerkmale sind
Gegenstand der Allgemeinen Didaktik; die Fachdidaktiken konkretisieren und
modifizieren diese Merkmale im Hinblick auf die speziellen Gegebenheiten ihrer
Lern- und Themenbereiche. Die Spezielle Didaktik als Didaktik einer Altersstufe
oder bestimmter Schularten setzt die Unterrichts-Strukturen der Allgemeinen
Didaktik in Beziehung zu den stufen-, schultypischen oder adressatenbezogenen
Fragestellungen. So die Definition von Gunter Otto und Ursula Schiebel in ihrem
Beitrag für „Unterricht, Analyse, Planung“. Die Methodik wird in diesem
Zusammenhang als Teil der Didaktik betrachtet.
Von der
bildungstheoretischen zur kybernetischen Didaktik
Insbesondere die
Publikationen des Amerikaners Robert F. Mager haben in Deutschland die Didaktik
als eine Wissenschaft der Lehrplanung, Lernorganisation und Lernkontrolle
bekannt gemacht. Eine solche Didaktik verzichtet auf bildungstheoretische
Aussagen und konzentriert sich stattdessen auf die Optimierung von
Lehr-Lernverfahren. Die detaillierte, exakt nachprüfbare Definition von
messbaren Lernzielen hat hier ebenso ihren Platz wie die Programmierte
Unterweisung.
Die drei Hauptrichtungen der
Didaktik können schlagwortartig als bildungstheoretische (Klafki),
lerntheoretische (Schulz/Otto) und kybernetische (Mager) beschrieben werden.
Die Mediendidaktik als
Beispiel pädagogischer Sprachverirrungen
Die Mediendidaktik als
Theorie der Auswahl und des Einsatzes von Unterrichts-Medien hat sich seit den
siebziger Jahren verselbständigt und sucht sich von der Medienpädagogik als der
Erziehung zum rechten Umgang mit den Massenmedien abzugrenzen.
Welche Wellen auch in diesem
Bereich die Diskussion um die Definition von Didaktik geschlagen hat, mag ein
Zitat aus einem Buch mit dem Titel „Audiovisuelle Medien in der Schule. Zur
politischen Ökonomie visueller Kommunikation“ belegen. Das Autoren-Kollektiv
Borchardt/Dunkel/Stüber wäre gut beraten gewesen, bei der Formulierung auch an
den Praktiker zu denken, der die Lektüre für seinen Unterricht nutzbar machen
soll. Die drei formulieren:
„Gerade weil es zutreffend
ist, dass die Didaktik immer mehr eine zentrale Position innerhalb der
pädagogischen Diskussion einnimmt, sollten Thesen zur wissenschaftstheoretischen
Problematik der Didaktik begrifflich schärfer formuliert werden. Blankertz
verdrängt (aber) die gesellschaftlichen Implikationen der Didaktik um einer
formalen Attitüde willen völlig aus dem Gesichtskreis und kritisiert auch nicht
die moralischweltanschauliche Lüge und Verwaschenheit sowie den
erkenntnistheoretischen Agnostizismus und
Idealismus der 'normalen
Pädagogik', das heißt ihre gesellschaftliche Praxis verfehlende theoretische
Grundannahme metaphysischer Werte, sondern ihre gegenüber logischer Methodologie
unzureichende Wissenschaftlichkeit - ein Kriterium, welches die 'normale
Pädagogik' nur in den seltensten Fällen für sich in Anspruch nahm -, um seine
Präferenzen für die positivistisch-lerntheoretisch orientierte Didaktik zu
begründen.“
Da möchte ich meine
Präferenz schon nicht mehr begründen. Ich fände es schlicht praktisch, wenn sich
ein Sprachgebrauch durchsetzte, der eine Allgemeine Didaktik als
Theorie allen Lehrens und Lernens verstünde -
unabhängig davon, ob dies in institutionalisierter oder privater, organisierter
oder freier Form stattfindet. Die Fachdidaktiken könnten diese allgemeinen
Prinzipien im Hinblick auf die Lernstoffe konkretisieren. Die speziellen
Didaktiken könnten dann die mannigfaltigen Organisationsformen des Lernens und
die Unterschiedlichkeiten der Lernenden (etwa Alter und Rollen) berücksichtigen.
Die Methodik wäre ein Aspekt der Fachdidaktik und der speziellen Didaktik
und bezöge sich ausschließlich auf die Art der
Aufbereitung, Präsentation und Vermittlung der Lerninhalte. Alles
klar?
©
B. Treude 1988
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